Erzählnachmittag vom 14. Januar 2025
Erzählnachmittag vom 14. Januar 2025
mit Dr. Richard Gerster
Zwischen den Welten
Einleitend zum Referat informierte Pfarrer Ronald Herbig-Weil die Gäste über die früheren Aktivitäten des Referenten. Auch wenn das Thema „Zwischen den Welten“ heisst, habe es nichts mit der Raumfahrt zu tun. Wir haben auf unserem Planeten noch genügend Aufgaben.
Er habe sich überlegt, wie er überhaupt zur Entwicklungshilfe gekommen sei. Schon mit sechs Jahren hat er begonnen Briefmarken aus der ganzen Welt zu sammeln. In der Rückblende ist da viel Weltgeschehen, so auch die Kolonialisierung von Afrika und Asien dokumentiert. Länder die es damals gab, existieren heute nicht mehr oder unter anderem Namen. So z.B. sind auf demselben Couvert Briefmarken von Malaya und Singapore. 1963 ist aus diesen beiden Ländern Malaysia entstanden bis 1965 Auseinandersetzungen zur Trennung führte.
Unterwegs
Richard Gerster hatte Gelegenheit In der Verkehrsleitzentrale von Singapore zu arbeiten. Ein Road-Pricing-Konzept regulierte die Preise. Je mehr Autos in die Stadt fuhren, desto teurer wurde es. Zürich sei für Singapore ein Vorbild, liess ein Mitarbeiter verlauten, insbesondere wegen des hohen Anteils an öffentlichem Verkehr.
Begegnungen
Burkino Faso (Land der Würde) hat eine ausgeprägt freundliche Bevölkerung. Die Schweiz hat jahrzehntelange Verdienste in Bezug auf Frauenförderung und Bildung. Sie geniesst deshalb ein hohes Ansehen, was unter anderem mit einem Strassenschild «Rue de la Suisse» zum Ausdruck kommt.
Kamerun
Richard Gerster war nahezu zwei Jahre in einem Dorfentwicklungsprogramm der Helvetas tätig. Projekte waren der Bau von Trinkwasserversorgungen und der Strassenbau. Wichtigste Voraussetzung war, dass sich das Dorf und somit die Bevölkerung sowohl finanziell als auch mittels Mitwirkung beteiligte. Die Einweihung eines Dorfbrunnens ist in solchen Ländern immer ein Grossereignis.
Auch in Benin hat die Schweiz grosse Verdienste. Aussage einer Gemeinderätin: «Wir Frauen in Benin sind heute das was wir sind nur Dank der Unterstützung aus der Schweiz». Die Schweiz hat damals mit einer Nichtregierungsorganisation den Kontakt gesucht und empfohlen die Frauen auch für politische Ämter zuzulassen. Im Ältestenrat wurde dies diskutiert und führte dazu, dass erstmals eine Frau in den 17-köpfigen Gemeinderat gewählt wurde.
Ghana
Unterwegs mit einem Taxifahrer in Accra wollte Richard Gerster für eine Foto kurz aussteigen. Sofort kamen Polizisten, welche sagten, dass Fotografieren verboten sei. Der Taxichauffeur hat alles mitverfolgt, ist ausgestiegen und hat den Polizisten gesagt, dass ein Verbot zum Fotografieren publiziert sein müsste. Zurück im Auto sagte er: «Das ist Afrika! Die Polizisten versuchen mit solchen Aktionen ihr Gehalt aufzubessern. In der Regel klappt es.
Indien war für den Bund und die Hilfswerke über viele Jahre das wichtigste Partnerland.
Eine grosse Entwicklung hat man in der Milchwirtschaft erreicht. So hat eine lokale Milchgenossenschaft die täglich produzierte Menge von 100 Liter auf 65'000 Liter ausgebaut. Möglich wurde dies mit dem Einkreuzen in der Zucht. Als Viehfutter dient das Stroh aus der Reisernte. Heute ist Indien der grösste Milchproduzent der Welt.
Macht & Ohnmacht
Weil sich Tunesien und die Schweiz nicht einigen konnten, wer den UNO-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft durchführt, hat man beschlossen, diesen in beiden Ländern abzuhalten. 2003 in der Schweiz und 2005 in Tunesien. In seiner Ansprache betonte der damalige Bundespräsident Samuel Schmid in Tunesien, dass zu diesem Thema auch die Menschenrechte, die Meinungsäusserungsfreiheit und die Medienfreiheit gehöre. Unmittelbar nach dieser Aussage wurde die TV-Übertragung abgebrochen.
2011 fand in Nordafrika der Arabische Frühling statt. Am 14. Januar verließ der Tunesische Präsident Ben Ali aufgrund der zunehmenden Massenunruhen fluchtartig das Land. Am selben Tag verkündete ein Regierungssprecher, dass die Regierung aufgrund der anhaltenden Proteste aufgelöst wurde.
Fairer Handel
Aufgerüttelt durch den Film Bananera Libertad von Peter von Gunten, in dem die sozialen und ökologischen Missstände im Bananenanbau in Zentralamerika thematisiert wurden, hatte Ursula Brunner ab 1973 begonnen, sich für einen «gerechten Handel» mit Bananen und anderen Produkten aus Entwicklungsländern einzusetzen. Sie und ihre Mitstreiterinnen organisierten sich als «Bananenfrauen» und sensibilisierten die Öffentlichkeit für die Probleme des Welthandels und des Bananenanbaus.
Heute sind es in der Schweiz über 100 Claro Läden, welche Produkte aus aller Welt verkaufen. Der Umsatz hat inzwischen die Milliardengrenze überschritten.